Kleinere TV-Sender ohne entsprechende Marktmacht haben in Deutschland keine Chance auf eine flächendeckende Reichweite. Vodafone hat mit dem Kabelnetz etwas anderes im Sinn.
Kommerzielle TV-Sender sind auf eine große technische Verbreitung angewiesen, die von den Werbeagenturen als relevant identifiziert wird. Die Buchung einer Übertragungskapazität über Satellit ist kein Problem, denn selbst auf der Premium-Position 19,2 Grad Ost sind derzeit Dutzende von Transpondern leer. Damit werden laut Digitalisierungsbericht 2020 44,1 % der Haushalte in Deutschland erreicht.
Allerdings sind 43,6 Prozent der Haushalte nur über klassische Kabelnetzbetreiber erreichbar. Während hier kleinere Netzbetreiber, die neuen City-Carrier und sogar Pÿur noch offen für neue Kanäle sind, blockiert das Quasi-Monopol Vodafone. Neue Kanäle, die Einspeisegebühren zahlen, sind nicht mehr wünschenswert. Auch das Hinzufügen neuer Sender ist für IPTV-Anbieter kein Problem, solange die aktuellen Einspeisegebühren bezahlt werden. Bei DVB-T2 sind derzeit alle Übertragungskapazitäten ausgeschöpft, aber der Rundfunknetzbetreiber Freenet fügt noch immer neue Kanäle über die HbbTV-Signalisierung hinzu. Laut Freenet muss mindestens die Hälfte der HVB-T2-Haushalte „angeschlossen“ sein und damit HbbTV-Streams empfangen können.
DIGITAL FERNSEHEN hat von Vodafone Briefe an mehrere neue TV-Sender erhalten, deren Einspeisung Vodafone sich weigerte. Bereits Ende letzten Jahres hieß es, dass Vodafone 2021 keine neuen Sender mehr ausliefern werde. Das restliche Spektrum wird nur für Kabelinternet benötigt. Aber es gibt keine Regeln ohne Ausnahme: Der von der Bild-Zeitung am 22. August gestartete Nachrichten- und Talkkanal Bild HD ist natürlich ab dem ersten Sendetag auch im Vodafone-Kabel zu sehen. Vodafone hätte sich nichts anderes leisten können. Der Mediendruck in der Bild-Zeitung und den Kabelhaushalten, die die Bild-Zeitung lesen, wäre viel zu hoch gewesen.
Vodafone Ende Juli angekündigtneue Encoder-Technologie in den Kopfstellen einzusetzen. Diese nehmen nicht nur weniger Platz ein („aus 789 Einzelgeräten werden 103“), sie verpacken auch die zu sendenden TV-Programme kompakter bei gleicher Bildqualität („Die Basis dafür ist ein Softwaresystem, das hochwertige Komprimierungsverfahren auf Basis der neuesten MPEG-Generation verwendet Video-Codecs zur Konvertierung“). Allein dadurch wäre ohne zusätzliche Bandbreite Platz für neue TV-Kanäle geschaffen worden.
Für den Telekom-Konzern gerät das TV-Geschäft zunehmend in den Hintergrund, denn die höheren Renditen lassen sich mit Gigabit-Kabel-Internet erzielen. Es wäre möglich, TV und Internet parallel über Kabel aufzurüsten. Dafür müsste der Konzern aber mit viel Geld seine Netze aufrüsten: Kabel-Cluster noch stärker halbieren (verdoppelt dort die Internet-Kapazität der Nutzer), den Rückkanal auf DOCSIS 3.1 umstellen (Uploads bis 100 Mbit/s) und Vorlauf zu Frequenzen bis 200 MHz, insbesondere für den Rückweg. Dafür müssten aber alle Linienverstärker und Hausanschlussverstärker getauscht werden. Stattdessen wird klassisches Kabelfernsehen zunehmend abgelehnt.