Die Zahl der gemeldeten neuen Koronainfektionen in Deutschland ist höher als je zuvor. Es gibt große Hoffnungen auf die Entwicklung eines Impfstoffs, um die Situation zu lindern. Jetzt hat ein führender Virologe die Erwartungen gedämpft.
Die Zahl der registrierten neuen Koronainfektionen in Deutschland hat innerhalb eines Tages einen neuen Höchststand von 16.774 Fällen erreicht. Dies basiert auf Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI) am frühen Donnerstagmorgen. Die Zahl der Todesfälle durch das Virus stieg innerhalb von 24 Stunden um 89 auf insgesamt 10.272 – ein weiterer signifikanter Anstieg.
Nach Angaben des RKI sind seit Beginn der Pandemie insgesamt 481.013 Menschen in ganz Deutschland mit Sars-CoV-2 infiziert. Der RKI schätzt, dass sich inzwischen rund 339.200 Menschen erholt haben. Laut dem RKI-Lagebericht vom Mittwoch betrug die Anzahl der Reproduktionen, kurz R-Wert, in Deutschland 1,03 (Vortag: 1,17). Dies bedeutet, dass eine infizierte Person etwas stärker infiziert ist als eine andere Person. Der R-Wert gibt den Kontaminationsprozentsatz etwa anderthalb Wochen im Voraus an.
Nur ein Impfstoff hilft auf lange Sicht
Die Zahl der Koronafälle steigt seit Tagen rapide an. Am vergangenen Donnerstag haben die Neuinfektionen erstmals seit Ausbruch der Koronapandemie in Deutschland die Marke von 10.000 überschritten.
Um der raschen Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken, haben Bund und Länder beschlossen, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen: Im November wird das öffentliche Leben in der Bundesrepublik stark eingeschränkt. Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Restaurants sollten die Anzahl der Infektionen – zumindest kurzfristig – wieder beherrschbar machen.
Langfristig ruht jedoch alle Hoffnung auf der Entwicklung eines Impfstoffs. Experten zufolge ist es unwahrscheinlich, dass selbst ein geeigneter Impfstoff die Situation sofort lindert. Der Vorsitzende des ständigen Impfkomitees des Robert Koch-Instituts, der Virologe Thomas Mertens, fügte den Erwartungen hinzu.
Virologe: Eine umfassende Impfung ist erforderlich
Mertens geht davon aus, dass die gesamte Bevölkerung bis Ende 2021 nicht gegen das Coronavirus geimpft sein wird, selbst wenn ein Impfstoff schnell entwickelt wird. „Es wird lange dauern, bis sich der Infektionsprozess durch die Impfung spürbar ändert, sodass wir sagen können, dass der Frieden jetzt zurückkehren kann“, sagte Mertens gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gab Anfang Oktober bekannt, dass sie Mitte nächsten Jahres einen Impfstoff gegen das Coronavirus erwarten werde. Die Untersuchung, an der auch mehrere deutsche Unternehmen beteiligt sind, geht derzeit „sehr schnell“ voran.
Mögliche Konflikte bei der Verteilung von Impfstoffen
Der Virologe Mertens ist skeptischer. Wenn Sie 100.000 Menschen pro Tag impfen, würde es 150 Tage dauern, um 15 Millionen Menschen zu impfen. Diese Geschwindigkeit wäre laut Merten bereits eine Herausforderung. „Der Beginn der Impfungen sollte nicht zu früh erfolgen.“ Der Transport und die Lagerung, die Einrichtung der regionalen Impfzentren und die nationale gleichzeitige Dokumentation der Impfungen sowie die Bewertung der Sicherheitsaspekte und des Erfolgs der medizinischen Impfung müssen besonders gut vorbereitet sein.
Mertens geht auch davon aus, dass es angesichts eines zunächst knappen Impfstoffs zu Konflikten um eine gerechte Verteilung kommen wird. „Es ist auch möglich, dass sich Leute beschweren, die nicht sofort eine Chance bekommen.“ Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sollten Personen mit einem hohen Gesundheitsrisiko zuerst geimpft werden. Mertens kündigte an, dass der ethische Rahmen für die Verteilung von Impfstoffen Anfang nächster Woche veröffentlicht wird. Die Beratungen der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Leopoldina sollten Ende dieser Woche abgeschlossen sein.