Noch prüfen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Auswirkungen des verheerenden Hochwassers, das sie Mitte Juli getroffen hat.
Mit über 180 Toten und ebenso vielen Vermissten sowie Schäden in Milliardenhöhe ist der Schaden erschütternd. Doch erst nach und nach wird deutlich, dass auch viele Kultureinrichtungen hart getroffen wurden: Verlage, Museen, Archive, Galerien, Kirchen und sogar ein Opernhaus in Wuppertal.
„Es klang wie die Niagarafälle“, erinnert sich Marietta Thien. Als sie und ihr Mann in der Nacht der Katastrophe aufwachten, klingelte der Wecker um 3:45 Uhr. Es hatte stundenlang stark geregnet. Die Kanalisation in Metternich, einem Ortsteil von Weilerswist bei Bonn, konnte kein Wasser mehr aufnehmen. In der Hauptstraße stand das Wasser kniehoch.
Dann geschah das Undenkbare: Um ein Durchbrechen der Mauern der Steinbachtalsperre zu verhindern, beschlossen die Behörden, Wasser aus ihr abzuleiten. „Die Flutwelle der Swist hat unser Dorf mit großer Wucht getroffen“, sagte Andreas von Stedman der Deutschen Welle. „Niemand hat uns gewarnt!“
In einem großen braunen See versunken: der Innenhof des Velbrücker Buch- und Wissenschaftshauses in Metternich, Rheinland
„Ein großer brauner See“
Es ist ein Wunder, dass diese Bewegung keine Todesopfer gefordert hat. Es überflutete jedoch die Gebäude des Verlags Velbrück, dessen Direktoren Thien und von Stedman sind.
Das Wasser zerstörte ein Bücherlager, überflutete Keller und machte auf einen Schlag Möbel, Computer und Firmenwagen unbrauchbar. Drohnenaufnahmen der Kulturhalle, in der normalerweise Vorträge und Konzerte stattfinden, zeigen den Ort in einem riesigen braunen See. Drei Meter hoch steht das Wasser in Velbrücks historischer Bausammlung, die Werke aus den Bereichen Philosophie, Kultur, Geistes- und Sozialwissenschaften veröffentlicht. Thien und von Stedman waren fassungslos. „Alles ist zerstört!“
Auch das Wuppertaler Opernhaus im Stadtteil Barmen wurde schwer getroffen. Die Kombination von Starkregen und der schnell ansteigenden Wupper führte dazu, dass Wasser in den Techniktrakt unterhalb der Bühne des historischen Gebäudes, den Orchestergraben, das Instrumentenlager und den Stimmraum des 80-köpfigen Musikensembles floss.
Schlimmer noch, es zerstörte Bühnen- und Lichttechnik, Lüftungs-, Heizungs- und Brandmeldeanlagen. „Hier können vorerst keine Vorstellungen mehr stattfinden. Nach der langen COVID-Dürre ist das wieder ein herber Rückschlag!“ Opernregisseur Daniel Sieghaus sagte der Deutschen Welle.
Bürokratie durchbrechen
Wie in anderen Hochwassergebieten durchkämmen Handwerker und Techniker die Reste auf der Suche nach Mängeln und die Schäden durch das Hochwasser sind noch nicht messbar. Rolf Reuter, Leiter Bühnentechnik, schätzt den „Schaden jedoch in Millionenhöhe“.
Was die Ersatzbeschaffung erschwert, ist, dass öffentliche Unternehmen wie das Wuppertaler Opernhaus europaweit Kauf- und Bauaufträge ausschreiben müssen. Und das kann dauern.
Vielleicht sollte der Gesetzgeber über eine Beschleunigung der Vergabeverfahren nachdenken? Die Wuppertaler Oper muss vorerst auf alternative Standorte ausweichen: das Theater am Engelsgarten und die Historische Stadthalle.
Auch das Wuppertaler Opernhaus blieb nicht verschont
Auch private Kulturinitiativen haben gelitten, wie das Wuppertaler Straßenbahnmuseum zeigt, das eine eigene Straßenbahnlinie südlich der Stadt auf Originalschienen mit Originalwagen betreibt. Es ist eines der kleinsten fahrenden Straßenbahnsysteme der Welt.
„Hier passierte 50 Jahre lang nichts. Dann kam das Wasser aus zwei Richtungen gleichzeitig: aus der Wupper und bergab aus dem Kaltenbach“, sagt Guido Korff, Vorstandsmitglied des Stiftervereins.
Innerhalb weniger Minuten wurden die Waggonhalle, das Sozialgebäude mit der Leitwarte und der Verkaufscontainer überflutet. Zum Glück sind unsere Waggons verschont geblieben“, sagte Korff der DW. Der Schaden wurde beispielsweise auf 50.000 Euro begrenzt Fonds. .
Weiter westlich, im rheinischen Stolberg, unweit von Aachen, wurde die Erinnerung an eine ganze Stadt wach. Die im historischen Rathaus und im Keller eines Geschäftshauses untergebrachten Archive mit dem Spitznamen The Copper City wurden von den Überschwemmungen verwüstet. Hunderte von alten Büchern, Dokumenten und Schriften, von denen das älteste aus dem 17. Jahrhundert stammt, versanken unter dem reißenden Fluss Vecht
Viele wurden jedoch spektakulär gerettet. Kölner Spezialisten kamen mit ihren neuen Containern zum Schutz von Kulturgütern“, erklärt Archivar Christian Altena der DW. „Die Dokumente wurden gewaschen und eingefroren, damit der Zersetzungsprozess nicht einsetzte.“ Zwei Wochen nach der Flutkatastrophe ist Altena erleichtert: „Wir sind mit der Bergung fertig, heute haben wir die letzte Ladung ins Kühlhaus verschifft.“
Deutscher Druck auf Nothilfe
Auch die historische Kirche St. Cornelius in Kornelimünster bei Aachen blieb nicht verschont. Wie in den anderen Regionen der Heimat von Michelle Müntefering in Nordrhein-Westfalen finden hier große Reinigungsarbeiten statt. Beim Treffen der G20-Kulturminister in Rom hatte der deutsche Staatssekretär für Auswärtige Kulturpolitik akute Maßnahmen im Katastrophenfall gefordert.
Ein „Rapid-Response-Mechanismus“ müsste binnen Stunden von einer Experten-Task Force mit modularer technischer Ausstattung aktiviert werden, etwa ein Notfalllabor zur Konservierung matschiger Schrift. Die Auswirkungen des Klimawandels auf Welterbestätten werden auch bei der diesjährigen Sitzung des Welterbekomitees im chinesischen Fuzhou thematisiert, wie die Deutsche UNESCO-Kommission der DW bestätigte.
Das Bücherlager des Buch- und Wissenschaftsverlages Velbrück in Metternich
Wände und Pflanzen sind noch braun überzogen, Spuren des Schweizer Flusses. Unklar ist, dass Heizung, Strom, Telefon und Internet immer noch nicht funktionieren. Um die Bücherberge des Velbrücker Buch- und Wissenschaftsverlages auf Lastwagen zu heben, musste ein Bagger gebaut werden. Wie an vielen Katastrophenorten halfen Nachbarn, Hilfsorganisationen und Reihen von Freiwilligen beim Aufräumen. „Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft!“ sagen sowohl Thien als auch von Stedman. Klar ist aber auch, dass sie und ihre kulturellen Projekte noch einen langen Weg vor sich haben.
Dieser Artikel wurde von Brenda Haas aus dem Deutschen übernommen.