Wenn wertvolle zeitgenössische Kunstwerke verbrannt werden, gibt es sicherlich mediale Aufmerksamkeit. Dies ist eine Tatsache, die wahrscheinlich von Damien Hirst berücksichtigt wurde, dessen neue Ausstellung „The Currency“ das Verbrennen einer Reihe seiner Werke beinhaltet.
Hirst, der als der reichste lebende Künstler Großbritanniens gilt, eröffnete die Ausstellung am 23. September in seiner Privatgalerie, der Newport Street Gallery in London. Werbegags sind dem 57-jährigen Künstler nicht fremd. Kritiker lieben ihn oder hassen ihn – so oder so, sein Erfolg in der Kunstwelt lässt sich nicht leugnen.
Kunst als Zahlungsmittel
In die Fußstapfen eines anderen Starkünstlers, Jeff Koons, arbeitet Hirst nun mit NFTs, sogenannten Non-Fungible Tokens, also digitalen Zertifikaten, die nicht manipuliert werden können und somit virtuelle Originale sind, gesichert in einer Blockchain. Es ist Hirsts erstes NFT-Projekt und läuft nun seit einem Jahr.
Im Jahr 2021 ordnete er 10.000 speziell angefertigte einzigartige Dot Paintings NFTs zu und verkaufte sie für jeweils 2.000 Dollar (2.055 Euro) an die Öffentlichkeit. Die Käufer hatten dann ein Jahr bis zum 27. Juli 2022 Zeit, um zu entscheiden, ob sie den digitalen Token behalten oder gegen das physische Kunstwerk eintauschen.
Insgesamt entschieden sich 5.149 Käufer dafür, ihre NFT gegen ein physisches Kunstwerk einzutauschen, während sich 4.851 Personen für den digitalen Token entschieden.
Die Kunstwerke, deren Besitzer sich für die NFT entschieden haben, werden verbrannt. Hirst selbst wird am 11. Oktober, einen Tag vor der Eröffnung der Londoner Frieze Art Fair, einer der weltweit größten Messen für zeitgenössische Kunst, einen Haufen der Werke in Brand setzen.
Hirst bezeichnete sein Projekt auf „The Art Newspaper“ als sein „mit Abstand spannendstes“ und berührte dabei die „Idee der Kunst als Währung und Vermögensaufbewahrung“. Dass Regierungen Münzen und Geldscheine mit Kunst schmücken, ist kein Zufall: „Sie tun es, damit wir uns auf Geld verlassen können. Ohne Kunst fällt es uns Menschen schwer, an irgendetwas zu glauben.“
NFTs und die Eigentumsfrage
Kurator und Kunstkritiker Kolja Reichert moderierte eine Reihe von Diskussionen in der Bundeskunsthalle in Bonn, darunter eine über das Potenzial der Blockchain-Technologie für eine stärkere Teilhabe an der Kunstwelt. Auch bei seinem NFT-Projekt „hängt Damien Hirst in den Eigentumskriterien analoger Kunst fest“, sagt er der DW.
Für Reichert geht es bei NFTs viel mehr um die Zirkulation als darum, wie Kunstwerke traditionell gesammelt und besessen wurden. Er sieht in der Blockchain-Technologie viel Potenzial, das auch Künstler nutzen können, um sich zu gesellschaftlichen Themen zu äußern.
Zum Beispiel hat die deutsche Konzept- und Medienkünstlerin Hito Steyerl Kunst verwendet, um NFTs zu kommentieren und was sie für ihre geschlechtsspezifische Voreingenommenheit hält. Als satirischen Kommentar zum NFT-Hype im Kunstmarkt machte sie kurzerhand große deutsche Kulturinstitutionen – die Bundeskunsthalle und das Humboldt-Forum – zu NFTs und erklärte sich zu deren Eigentümern. In ihrer jetzigen Rolle seien NFTs im Kunstmarkt wie das Äquivalent toxischer Männlichkeit, kritisierte Steyerl auf einer Veranstaltung 2021.
Partizipation und Nachhaltigkeit
Reichert von der Bundeskunsthalle glaubt, dass NFTs Partizipation untersuchen sollten und wie Menschen über das Konzept des Kunstbesitzes denken. In diesem Jahr zeigte die Kuratorin ein NFT-Projekt des Kunstkollektivs Cercle d’Art des Travailleurs de Plantation Congolaise (CAPTA), das von Arbeitern in Lusanga, Kongo, in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Künstler Renzo Martens gegründet wurde.
Die Gruppe traf 300 NFTs der „Balot“-Statue. Die Statue wurde 1931 von den Pende, einer ethnischen Gruppe in der Demokratischen Republik Kongo, mit dem Ziel geschaffen, den Geist des belgischen Kolonialbeamten Maximilien Balot zu vertreiben, der Gräueltaten begangen hatte und schließlich enthauptet wurde.
Die Originalstatue befindet sich jetzt in einem Museum in Virginia, während die NFTs von CAPTA und Renzo Martens 2022 auf der Art Basel verkauft wurden. Der Erlös aus dem Verkauf floss direkt in die ehemalige Palmölplantage in Lusanga. „Diese Aktion schafft messbare Effekte, nämlich die Möglichkeit, Land zurückzukaufen“, erklärt Reichert.
Das Land wird nicht nur gekauft, sondern auch neu bepflanzt und kultiviert und sorgt für lokales Einkommen. Zum anderen thematisiert die Handlung, wie die Statue, die de Pende bis heute als Machtfigur gilt, über einen europäischen Kunsthändler in ein Museum in Virginia gelangte.
Neben dem Rückkauf des Landes und der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft verwendet das Kollektiv die Einnahmen, um die Kultur nach Lusanga zurückzubringen. Vielleicht kommt auch der „Balot“ eines Tages zurück.
Das seien eigentlich die wirklich interessanten Eigentumsfragen, argumentiert Reichert. „Was gehört eigentlich dem Museum in Virginia? Ist die Autorität des Museums größer oder die der heute in der Gegend lebenden Menschen, die es wieder in seine ursprüngliche Funktion zurückversetzen wollen?“ Für die Kuratorin ist das interessanter, als wie in Hirsts Projekt die Idee von Kunst als Zahlungsmittel neu zu überdenken.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.