Die bisher unveröffentlichte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und des Sozialforschungsinstituts Infas zeigt das trotz Lockerung vieler Covid-Beschränkungen und einer Rückkehr ins öffentliche Leben.
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Im Frühjahr 2021 reiste fast die Hälfte aller ÖPNV-Nutzer mit dem Auto an – verglichen mit nur einem Drittel auf dem Höhepunkt des Lockdowns.
Tatsächlich geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung zu den Klimazielen für den Verkehrssektor, die eine Verdoppelung der Zahl der Personen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, in den kommenden Jahren erfordern.
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„Als Rückgrat der Verkehrsrevolution ist der öffentliche Verkehr derzeit ein Totalausfall“ WZB-Verkehrsforscher Andreas Knie sagte der deutschen Tageszeitung Spiegel.
Mangelnde Flexibilität?
Die Tatsache, dass die Autonutzung trotz der Lockerung der Sperrbeschränkungen zugenommen hat, deutet darauf hin, dass andere Faktoren als die Pandemie bei der Migration auf private statt auf öffentliche Verkehrsmittel eine Rolle spielen.
Dazu gehören unflexible Fahrpläne und Probleme mit Routen, die es für Autofahrer weniger attraktiv machen können.
Für rund 60 Prozent der Reiserouten in Deutschland bleiben laut der Studie private Fahrzeuge die erste Wahl.
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„Dass viele Befragte wegen Covid-19 öffentliche Verkehrsmittel meiden, ist nur die halbe Wahrheit“, erklärten die Forscher. „Der andere Teil der Geschichte ist, dass die mangelnde Flexibilität und die geringe Qualität des Produkts starke Motive sind, öffentliche Verkehrsmittel zu vermeiden.“
Forscher glauben, dass die Anbieter öffentlicher Verkehrsmittel mit einer „Strukturkrise“ konfrontiert sind, da sie Schwierigkeiten haben, sich an die veränderten Realitäten der Arbeitswelt nach der Pandemie anzupassen.
Studien gehen davon aus, dass On-Demand-Shuttlebusse eine Option für den öffentlichen Verkehr sein könnten, die sich gut für die Welt nach der Pandemie eignet. Foto: photo alliance/dpa | Friso Gentsch
Bei flexibleren Arbeitsregelungen wünschen sich Arbeitnehmer, die von zu Hause aus arbeiten, möglicherweise Dienste, die es ihnen ermöglichen, kurzfristig am Nachmittag oder nur für einige Stunden ins Büro zu gelangen, sind jedoch frustriert über die begrenzten Möglichkeiten oder das Fehlen von Hochgeschwindigkeitsverbindungen.
Forscher schlagen vor, dass Dienste wie On-Demand-Shuttlebusse, die über die App bestellt werden können, eine Lösung darstellen könnten. Aber abgesehen von kleinen Pilotprojekten im ganzen Land gibt es bisher wenig Bewegung in diese Richtung.
Ein weiteres Problem für die Fluggesellschaften besteht darin, dass Produkte wie Monats- und Jahreskarten zunehmend nicht mehr mit dem täglichen Leben und den Bedürfnissen der Passagiere übereinstimmen.
Stattdessen können Umlagesysteme, bei denen die günstigsten Tarife automatisch auf einer Chipkarte oder App berechnet werden, den Menschen sowohl die Flexibilität als auch den gewünschten Wert bieten, erklärten die Forscher.
soziale Spaltung
Die Daten der Studie, die auf repräsentativen Umfragen, Interviews und Tracking-Daten aus einer App basieren, zeigten zudem eine tiefe soziale Kluft zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern.
„Außerhalb der Metropolen wie Hamburg oder München nutzen die höheren Einkommen kaum öffentliche Verkehrsmittel“, sagt Knie dem Spiegel.
Da einkommensstarke Gruppen nur zwei Prozent der öffentlichen Verkehrsmittel ausmachen, seien Optionen wie Busse und Bahnen für die Reichen „praktisch nicht existent“, fügte er hinzu.
Die Menschen, die noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, sind oft Menschen, die keine andere Wahl haben, wie zum Beispiel ältere Menschen, die nicht mehr Fahrrad fahren können. Foto: photo alliance / dpa | Jens Büttner
Öffentliche Verkehrsmittel hingegen werden „von denen genutzt, die keine andere Wahl haben“, schloss der Forscher.
Zu dieser Gruppe gehören ältere Menschen, die nicht mehr Fahrrad fahren, und ärmere Menschen, die den oft weiten Weg zur Arbeit nicht mit dem Auto zurücklegen können.
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Umgekehrt fanden die Forscher heraus, dass die Autokilometer proportional zum Einkommen steigen.
Dadurch könnte der von Klimaschützern und Stadtentwicklern lang ersehnte Übergang zu nachhaltigem Verkehr in Deutschland deutlich länger dauern als bisher angenommen.