dDie dritte Staffel von „Babylon Berlin“ endete mit dem Bild einer riesigen Schlange, die vor der unter dem Bürgersteig kriecht Berliner Börse wie eine U-Bahn durch die Kanalisation dröhnt, dunkel, dröhnend, unaufhaltsam. Die vierte Staffel der Serie kulminiert nun mit der Aussicht auf einen Kasernenplatz voller gesichtsloser Gestalten in Aufmerksamkeit und in schwarzer Kleidung. Sie haben nur auf einen Befehl gewartet, sagt der dämonische Arzt Schmidt zu Gereon Rath, und wir wissen genau, was er meint. Nur wird nicht Rath das Kommando geben, sondern ein Mann, der in der Serie nur gelegentlich als Herr Hitler aus München erwähnt wird. Aber seine Bedeutung wird natürlich mit jeder folgenden Staffel zunehmen, bis er den gesamten Horizont der Geschichte umfasst.
Der Lindwurm der Geschichte geht in die Kaserne – das ist noch nicht ganz der Abschluss dieser neuen zwölf Folgen, liefert aber eine passende Metapher für die Wandlungen, die der Stoff der Serie im Übergang von den 1920er in die 1930er Jahre durchmacht. Denn auch „ Babylon Berlin“ kann nicht mit dem Tempo der ersten beiden Staffeln mithalten. Um keinen der vielen Fäden zu verlieren, die ihre Erzähler miteinander verbunden haben, muss sich die Geschichte unbedingt erweitern, verzweigen und Raum gewinnen, um ihre zahlreichen Mitarbeiter unterzubringen.
Die uns bekannten Gesichter sind fast alle wieder da: neben Kommissar Rath und seiner neuen Kollegin Charlotte Ritter vor allem ihre Schwester Toni, die auf der Straße lebt und in der ersten Folge von Polizei durch die Gänge des Kaufhauses Tietz auf dem Tauentzien gejagt wird; dann die Wrestling-Clubs der Berliner Unterwelt, deren mächtigster inzwischen allein von Ronald Zehrfeld alias Walter Weintraub geführt wird, nachdem sein Partner Edgar Kasabian bei einer Explosion ums Leben kam; und das herbstfarbene Typenkabinett der untergehenden Weimarer Republik, von der Soldatenwitwe Behnke bis zum Arbeitsrechtler Litten, von der Generalstochter Malu Seegers bis zur investigativen Journalistin Katelbach.
Einige Charaktere sind historisch, andere – die meisten – nicht, aber die Serie schafft es, diese Unterscheidung zu verwischen. Der Auftritt und weltweite Erfolg von „Babylon Berlin“ basiert auf diesem Trick: Reale Personen und Ereignisse werden maskiert oder entlarvt – etwa der 1938 im KZ Dachau umgekommene Hans Litten – in die Verschwörung eingewoben. Malu Seegers beispielsweise, gespielt von Saskia Rosendahl mit konspirativem Feuer, ist Marie Luise von Hammerstein, der Tochter des damaligen Chefs der Heeresleitung, nachempfunden, während der Prozess, in dem Katelbach und der Chefredakteur der „ Vossische Zeitung“ wegen Geheimnisverrats verurteilt wurden, ist ein Echo auf den „Weltbühne“-Prozess von 1931. Auch die SA-Krawalle auf dem Kurfürstendamm, die im Mittelpunkt der Eröffnungsfolge stehen, fanden statt, nur dass sie im September 1931 stattfanden und nicht wie Hier, an Silvester.