Samstag, 26. September 2020
Vier Jahre nach dem Start der zweiten Generation gestaltet VW den Tiguan um. Der SUV-Bestseller kommt mit einer visuellen Auffrischung und den technischen Highlights des Golf 8. In Bezug auf den Absatz hat der SUV den Kompakten bereits ersetzt.
Elektronik und Digitalisierung entwickeln sich fast alle sechs Monate weiter. Da der aktuelle VW Tiguan seit vier Jahren in der Dose ist, gilt sein virtuelles Innenleben in den Augen von Ingenieuren und Kunden gleichermaßen als veraltet. Während unsere Smartphones fast jeden Monat aktualisiert werden müssen, ist dies mit einem Auto viel schwieriger. Darüber hinaus schickte ein erfolgreiches Modell, dessen Montagelinien allein im vergangenen Jahr in vier Fabriken durchschnittlich alle 35 Sekunden ein neues Auto auf die Welt schickten. Für wichtige Innovationen für den Bestseller müssen sich Entwickler lange ungeduldig die Füße kratzen und auf das geplante Facelifting warten. Und genau das hat der Tiguan jetzt.
Ralf Brandstätter, der neue Leiter der größten Marke der Gruppe, zitiert das Motto: „Wir haben den nächsten Schritt getan, indem wir den neuen Tiguan elektrifiziert, digitalisiert und vernetzt haben. Damit ist der kompakte SUV für die Herausforderungen unserer Zeit gerüstet.“ Bevor die Zündschlüssel an den Neuankömmling übergeben werden, gehen Designer, Motorradprofis und Elektronikingenieure auf die Einzelheiten ihrer Bemühungen ein. Die Blechkünstler sprechen von der neuen Front, deren lächelnder Kühlergrill jetzt durch ein viertes seitlich gekipptes Raster ergänzt wird und damit den großen Touareg oder den amerikanischen VW-Atlas ergänzt. Ebenso erfolgreich sind die Tagfahrlichter, die jetzt auch die vier LED-Augen unten umgeben. Auf der Rückseite begrüßen Sie, genau wie beim Golf, eine zentrale Modellbeschriftung unter dem VW-Logo.
Grundsätzlich alles wie im Golf 8
Dann gibt es die Motorhandwerker, die den im Tiguan so beliebten Diesel und sein berüchtigtes Stickoxid vorgebunden haben. Dank der „Doppeldosierung“ sollen diese Gase im neuen TDI-Motor um bis zu 85 Prozent reduziert werden. Ein zweiter Katalysator im Unterboden aktiviert und eliminiert alle Stickoxide, die sein „Kollege“, der näher am Motor montiert ist, noch durchlässt. Sie werden in Wasser und harmlosen Stickstoff umgewandelt. Eine weitere Neuheit im und um den Motorraum: Zum ersten Mal wird es einen Plug-in-Hybrid geben, der einen 1,4-Liter-Benziner mit 150 PS und einen Elektromotor mit 115 PS verwendet. Das Duo muss in der Lage sein, den Tiguan 50 Kilometer rein elektrisch mit insgesamt 245 PS zu bewegen.
Die neuesten Informationen des Neuankömmlings sind Elektronikingenieuren vorbehalten. Wie beim Golf hat auch der Tiguan von der digitalen Revolution im Innenraum betroffen. Neue Steuerung von Heizung und Klimaanlage über Steuerungen mit Kontaktflächen, die auf Druck oder Wischen reagieren. Auf ähnliche Weise funktionieren auch empfindliche Quadrate, die vom Lenker leicht zu erreichen sind. Und dann natürlich die Abkürzung MIB 3. Sie steht nicht für Teil 3 des Erfolgsfilms „Man in Black“, sondern für das beste Infotainmentsystem, das derzeit bei VW erhältlich ist. Es dient zur Vernetzung mit der digitalen Außenwelt und ist dank eigener SIM-Karte unabhängig vom Smartphone und damit immer online. Außer natürlich in toten Zonen. Aber bald wird es keine mehr geben. Praktisch: Zahlreiche Dienste wie Apple Carplay oder Android Auto funktionieren jetzt auch über Bluetooth, ohne dass das Smartphone wie zuvor über ein Kabel verbunden werden muss. Also das Ende der Salatstreifen.
Zu Hause im Tiguan
Unser Test Tiguan ist unter dem Blech recht bescheiden. Ein 1,5-Liter-Motor übernimmt den Antrieb, schickt 150 PS an die Vorderachse. Vielleicht wird es die Spitze der Tiguan-Familie, wenn die Zurückhaltung der Dieselkäufer anhält. Nach den ersten Kilometern wird deutlich, dass der Neue wie sein Halbbruder aus den ersten vier Jahren der aktuellen Tiguan-Generation fährt. Alles passt, sei es die bekannten Instrumente, das Lenkrad, das bequem in der Hand liegt, die Klarheit eines SUV. Dieses „Zuhause“ in einem Tiguan ist sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse.
Der relativ kleine Motor kann nicht mit der Zugkraft seiner Dieselkollegen mithalten, sorgt aber im Alltag für ausreichenden Antrieb und überzeugt auch im Ferntransport. Wer sich schnell auf den Weg zu seiner ländlichen Familie macht, wird dank der üblichen präzisen Lenkung mit dem sicheren Handling zufrieden sein, kann sich auf die Bremsen und natürlich auf die vielen Assistenzsysteme verlassen, sofern sie diese früher in der Preisliste markiert haben. Denn auch mit der Neuauflage des Tiguan sind die meisten technischen Köstlichkeiten nur gegen Aufpreis erhältlich. Inklusive der immer noch überzeugenden Siebengang-Doppelkupplung kostet dieses fünftürige Modell nicht weniger als 32.000 Euro.
Fortschritte in der Elektronik
Wenn es also keinen Aufholprozess beim Fahrerlebnis gab, bleibt die Hauptinnovation im Tiguan die Weiterentwicklung der Elektronik und der Vernetzung. Der sogenannte „Travel-Assist“ übernimmt nun das Lenken, Beschleunigen und Bremsen zwischen 0 und 210 km / h und arbeitet mit dem Tempomat und dem Spurhalter zusammen. Der Fahrer darf das Lenkrad jedoch nur für kurze Zeit loslassen. Praktisch: Das Radar-Augensystem hat jetzt auch Zugriff auf Kamera- und Navigationsdaten, erkennt Geschwindigkeitsschilder, Kreuzungen oder Stadteingänge und passt die Geschwindigkeit bei Bedarf automatisch an.
Ebenfalls neu im Sortiment ist das derzeit beste Beleuchtungssystem, das bereits Touareg, Passat oder Golf beleuchtet. Die Matrix-Technologie verwandelt Nacht mit zwei 24 LEDs in Tag. Gegenüberliegende Personen oder andere Lichtquellen werden durch gezieltes Dimmen der einzelnen LED-Lampen vor Blendung geschützt. Es ist sinnvoll, dass die hinteren Blinker jetzt optisch in die Richtung „fegen“, in die der Fahrer abbiegen wird.
Alles in allem machen alle Verbesserungen im Detail den neuen Tiguan zu einem der wichtigsten Akteure im SUV-Wettbewerb, obwohl die Corona, die Klimadebatte und die Konkurrenz seiner kleineren Geschwister kaum ihre Traumzahlen aus früheren Zeiten erreichen werden. Zwei Leckereien werden in Kürze folgen. Der Plug-in-Hybrid könnte unruhige Diesel-Fans anziehen. Und dann ist auch der robuste Tiguan R in den Startlöchern: Sein Zweiliter-Turbo leistet 320 PS an alle vier Räder und glänzt mit seiner umfassenden elektronischen Steuerung der Leistungsverteilung. Ein Athlet in einem SUV-Kleid.