Streaming-Kritik
„LOL: Last One Laughing“ bei Amazon
Anke Engelkes Leiden – sechs Stunden nicht lachen ist das Beste seit „Hurz“
Der Name ist umständlich, die Show umso besser: Mit „LOL: Last One Laughing“ dürfen Comedians wie Anke Engelke, Barbara Schöneberger oder Max Giermann sechs Stunden lang nicht lachen. Ein tolles Spektakel.
Erinnerst du dich an „Hurz“? 1991 machte sich Hape Kerkeling in einer Fernsehskizze über die Zuschauer eines sogenannten intellektuellen Rezitals lustig. Mit Klängen wie „Hurz“ oder „Das Lamm“ und „Der Habicht“ rollten sich die Zuschauer zu Hause mit einem Lächeln vor dem Fernseher zusammen, während im Flur angespannte Gesichtsausdrücke und heruntergezogene Mundwinkel zu sehen waren. Das Konzertpublikum fand die Aufführung anscheinend überhaupt nicht lustig. Aber was ist, wenn Sie lachen müssen und das nicht dürfen?
Diese Frage wird zu einem großen Experiment mit „LOL: Last One Laughing“ im Amazon Prime-Streaming-Dienst. Anke Engelke, Wigald Boning, Teddy Teclebrhan, Torsten Sträter, Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus, Max Giermann, Kurt Krömer, Rick Kavanian und Mirco Nontschew verbringen sechs Stunden in einem Studio. Ihr einziger Job: Sie dürfen nicht lächeln, nicht einmal Ihr Gesicht bewegen. Michael „Bully“ Herbig wacht in einem Nebenraum über die strenge Regel. Nach einer komplizierten Einführung – die Komödie bedarf einer Erklärung – kann der Spaß beginnen.
Wenn Sie zweimal über „LOL: Last One Laughing“ lachen, fliegen Sie
Teddy Teclebrhan ist der erste, der aus dem Aufzug steigt. Wie alle Kandidaten weiß er nicht, wer noch auf ihn wartet. Als Anke Engelke ankommt, folgt ein überschwänglicher Gruß – und der erste Schrecken: „Können wir überhaupt noch lachen?“, Fragt Engelke geschockt. Erst jetzt merkt das Publikum, wie oft wir lachen: aus Freundlichkeit, aus Schüchternheit – oder einfach aus Langeweile. Aber das sollte von nun an für die zehn Comedians verboten werden. Jeder hat nur einen Joker. Die letzte Person, die nicht gelächelt hat, erhält ein Preisgeld von 50.000 Euro für einen guten Zweck.
„Hoffentlich macht er den Kinski nicht“, sagt Engelke, als Max Giermann in der illustren Gruppe ankommt. Aber natürlich hat er, wie alle anderen auch, Comic-Zwischenspiele vorbereitet. Weil das Ziel ist, andere bewusst zum Lachen zu bringen. Teclebrhan zaubert seine virtuosen Schlangen herauf, Sträter knöpft sie alle separat in seinen unnachahmlichen Boxphrasen und Engelke strahlt mit – Vorsicht – Furzgeräuschen. „LOL: Last One Laughing“ ist wie ein WM-Comedian. Nur die angespannten Gesichter der Beteiligten sind noch besser als die dargestellten Szenen.
Dschungelcamp mit Klasse
Kurt Krömer öffnet die Augen weit, Barbara Schöneberger versucht sich mit Essen abzulenken und Kebekus drückt ihr Gesicht, bis ihre Augen tränen. Während das Publikum zu Hause auf der Couch lacht, sieht es das Leid der deutschen Komödie who is who. Dank der versteckten Kameras ist der Blick auf verzerrte Gesichter genauso voyeuristisch wie das Dschungellager und genauso sadistisch – aber mit Klasse. Sozialkunde kann auch abgeleitet werden: Welcher Komiker denkt, welcher andere ist der lustigste? Hat Kebekus am meisten Angst, vom Slapstick-Humor eines Teclebrhan oder vom trockenen Witz eines Sträter zum Lachen gebracht zu werden?
Die Show ist aus einem japanischen Format adaptiert. Die Show läuft bereits in Australien (moderiert von Rebel Wilson) und Spanien und ist dort ein großer Erfolg. In Deutschland Amazonas Prime sicherte sich die Rechte. Es ist ein bisschen schade, dass der sechsstündige No-Lach-Act ohne Zuschauer stattfindet. Ein Publikum in der Halle, das sich vor Lachen bückt, könnte die Aufgabe für die Protagonisten noch schwieriger machen – und damit noch mehr Spaß machen.
Trotzdem ist „LOL: Last One Laughing“ die beste Komödie seit Hape Kerkelings „Hurz“: großartige Unterhaltung und viel Spaß, ohne bösartig zu sein. Genau das, was Deutschland aktuell braucht.