Viele Regierungschefs sollten sich darüber freuen, dass der G20-Gipfel in Saudi-Arabien größtenteils nur virtuell stattfindet.
Es wäre kein Foto für das Familienalbum geworden, das Bundeskanzlerin Angela Merkel, das französische Staatsoberhaupt Emmanuel Macron oder der kanadische Premierminister Justin Trudeau gerne gesehen hätten. Gastgeber des Gipfeltreffens an diesem Wochenende ist der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman, der für den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich ist, der die Regierung kritisiert.
Und nicht nur das: Saudi-Arabien tritt mit Füßen gegen die Menschenrechte im Allgemeinen, sperrt unpopuläre Menschen ein, lässt sie foltern und hinrichten.
▶ ︎ 34 Journalisten befinden sich laut „Reporter ohne Grenzen“ derzeit in Haft.
▶ ︎ Laut Amnesty International wurden allein 2019 in Saudi-Arabien 184 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet.
Die saudische Regierung erlaubt keine Kritik oder Einmischung von außen: „Sie haben Ihre Gesetze, wir haben unsere Gesetze“, sagte der saudische Außenminister Adel al-Jubeir angesichts der Todesstrafe in seinem Land. Deutschland würde auch in Hotels kein Alkoholverbot verhängen, da dies in Saudi-Arabien gilt.
Was sind die wirklichen Probleme?
Das größte Thema ist die globale Koronapandemie.
Neben den sieben führenden Industrieländern und 13 Schwellenländern werden von der Pandemie betroffene Länder wie Spanien, Singapur und die Schweiz sowie Vertreter der Vereinten Nationen, der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilnehmen.
Der zweite Tag des Gipfels konzentriert sich unter anderem auf den gemeinsamen Kampf gegen die Klimakrise. Ein weiterer Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt infolge der Corona-Krise steht ebenfalls auf der Tagesordnung.
Übrigens nimmt auch der amtierende US-Präsident Donald Trump virtuell an dem Treffen teil. Es könnte sein letzter „Auftritt“ in der internationalen politischen Szene sein.
Menschenrechtsaktivisten appellieren an Staatsoberhäupter
Pünktlich zum Gipfel wird sich Saudi-Arabien offiziell dazu verpflichten, „Frauen zu stärken“. Menschenrechtsaktivisten bezweifeln jedoch, dass die Scheichs es ernst meinen.
Mindestens vier prominente Frauenrechtsaktivistinnen befinden sich derzeit im Gefängnis: „Loujain al-Hathloul, Nassema al-Sadah, Samer Badawi und Nouf Abdulaziz“, sagte Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Germany. „Wir fordern dringend die Freilassung politischer Gefangener.“
Meine Schwester Loujain ist seit drei Jahren im Gefängnis. Wir können der Justiz nicht mehr vertrauen. Die saudische Regierung muss unser Leuven sofort und bedingungslos freigeben “, sagte Lina al-Hathloul in BILD.
„Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen Saudi-Arabien auffordern, Loujain freizulassen. Und sie müssen unsere Forderungen vermitteln, da das saudische Volk von seiner Regierung nicht mehr gehört wird. ‚
Der Westen sollte die G20 nutzen, um Druck auf Riad auszuüben: „Auf dem Gipfel sollten die Politiker – insbesondere die Deutschen – immer die Saudis über die Situation politischer Gefangener ansprechen“, sagte Michalski gegenüber BILD.
Damit die G20 nicht zu einer reinen Propagandashow Saudi-Arabiens wird, muss Deutschland auch auf eine unabhängige internationale Untersuchung des Todes von Jamal Khashoggi drängen. Andere Orte sollten untersucht werden, sagte HRW-Direktor Michalski: „Deutschland sollte die Saudis auffordern, UN-Experten den Zugang zum Jemen zu ermöglichen, um Kriegsverbrechen des saudischen Militärs zu untersuchen.“
Die Gesundheit von Saudi King verschlechtert sich
Das Erscheinen des erloschenen saudischen Königs Salman auf dem G20-Gipfel hat nun Bedenken hinsichtlich der Gesundheit des Monarchen geweckt.
Der 84-Jährige, der das Treffen zu Beginn am Samstag ausrichtete, bemühte sich, seine zehnminütige Eröffnungsrede abzugeben. Er murmelte über den vorbereiteten Text. Mehrmals musste er von vorne anfangen und sich räuspern.
König Salman, Sohn des saudischen Staatsgründers Abdelasis Ibn Saud, ist seit 2015 auf dem Thron. Es gab bereits Spekulationen über seine Gesundheit, als er an die Macht kam. Offiziellen Berichten zufolge wurde seine Gallenblase im vergangenen Juli entfernt.
Bereits vor drei Jahren hatte der Monarch seinem Sohn Mohammed bin Salman – dem „Horror-Scheich“ – viele Kompetenzen übertragen. Der 35-jährige Kronprinz gilt bereits als der wahre Herrscher des Königreichs. Beobachter glauben, dass er nach Salmans Tod den Thron besteigen wird.