Wer die Alpen nur als schönen Wettertouristen kennt, hat wenig Ahnung von seiner Schattenseite. Bergbewohner hingegen wissen, dass die Berge im Herzen Europas auch ein Ort des Grauens sein können. Unzählige Legenden und Märchen erzählen davon, in denen die Wildnis über den Baumgrenzen oft ihr dunkles Gesicht zeigt.
Genau diese Dunkelheit fasziniert den Schweizer Künstler und Spieleentwickler Michel Ziegler. Der 39-Jährige hat sich einem Spiel verschrieben, das nun seit sechseinhalb Jahren veröffentlicht wird. »Mundaun« ist ein Horrorabenteuer aus der Perspektive der ersten Person, in dem Sie an einem abgelegenen Ort in den Schweizer Hochalpen ein Geheimnis entdecken.
Der mysteriöse Tod des Großvaters bei einem Brand führt den Protagonisten zurück an den Ort seiner Kindheit, der hoch über dem wolkenbedeckten Tal am Hang eines Zwillingsgipfels liegt. Die Bergfarm des Großvaters inmitten frisch geschnittener Almwiesen ist der Ausgangspunkt für ein Abenteuer, das schnell von der rustikalen Idylle in die surreale und unheimliche Bergwelt der Legenden übergeht.
Eine Welt aus Sepia
Die Atmosphäre von »Mundaun« ist einzigartig, weil das Spiel komplett von Hand gezeichnet wird: Ziegler hat jede Textur, jeden Teil der Landschaft und jede Figur von seinen Bleistiftzeichnungen auf die dreidimensionale Spielwelt übertragen. Dies verleiht dem Spiel einen besonderen Stil in einem Sepia-Ton, der an alte Fotos und Schwarzweißfilme erinnert.
Er ließ sich von Fotobüchern und Archiven aus den Bergregionen Graubünden, von Schweizer Legenden und der Rauheit der Natur inspirieren, sagt Ziegler, aber auch von alten Ställen und den Häusern in Platenga, dem kleinen Dorf in der Region Surselva, in dem er seine Ferien verbrachte Jugend durch. Viele Orte, wie der kleine Kapelle im Spielwerden direkt aus der Realität genommen.
Die Sprachausgabe verankert das Spiel auch in der Realität: „Mundaun“ wird ganz auf Römisch vertont, genauer gesagt: in Graubünden Rätoromanisch, einer Untergruppe der romanischen Sprachen, die von etwa 60.000 Menschen im Schweizer Kanton Graubünden verwendet werden.
Mehr als nur ein „Laufsimulator“
Diese Untertitelsprache, der grafische Stil und die dichte Atmosphäre dank der erfolgreichen Klanglandschaft und Musik verleihen »Mundaun« einen einzigartigen Charakter.
Jeder, der befürchtet, dass das Spiel nur ein »Laufsimulator« ist, eines jener Spiele, bei denen die ästhetische Erfahrung der Spielwelt ohne spielerische Elemente vergeht, kann sicher sein, dass es in diesem Spiel überraschend viel zu tun gibt.
Das Lösen verschiedener Rätsel und das Erkunden der Welt sind von zentraler Bedeutung für die fast siebenstündige Spielzeit, die alle Arten von Beschäftigungsmöglichkeiten bietet: Monster können bekämpft oder umgangen werden, diejenigen, die Holz, Wasser und Kaffeepulver finden, können Kaffee zubereiten, der die geistige Gesundheit stärkt. und oberhalb der Schneegrenze erwartet das Rodeln mutige Skifahrer. Darüber hinaus erzählt »Mundaun« eine spannende Horrorgeschichte, die sich bis zum Finale aufbaut.
Der Mythos einer Solo-Entwicklungskarriere
Michel Ziegler arbeitet seit Herbst 2014 ausschließlich am Spiel. Erst am Ende der Entwicklungsphase erhielt er Unterstützung vom amerikanischen Indie-Verlag MWM Interactive.
Die Arbeit an Spielen wie „Mundaun“ hat normalerweise wenig mit dem Ideal einer Indie-Solokarriere zu tun, das von legendären außergewöhnlichen Phänomenen wie Markus „Notch“ Persson oder Eric Barone geprägt ist. Persson war Milliardär bei „Minecraft“ geworden, Barone mindestens Millionär bei „Stardew Valley“. Aber trotz einer Flut neuer Spiele scheitern noch weniger künstlerisch ambitionierte Entwickler an dem Traum von einer großen Pause.
Nach dem Studium der Informatik und einigen Berufserfahrungen absolvierte Michel Ziegler erst Ende zwanzig einen Illustrationskurs. Die Tatsache, dass er sein eigenwilliges Projekt realisieren konnte, ist auf seine Aussagen nach den Entwicklungszuschüssen zurückzuführen, die er dafür beanspruchen konnte. Laut Ziegler wurden im Laufe der Jahre 120.000 Franken, rund 108.000 Euro, aus verschiedenen Quellen aufgebracht.
Ohne diese Finanzierungsmaßnahmen und ihre Präsenz auf Spielemessen wie der GDC in San Francisco, die von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia betrieben werden, wäre es für einen Einzelentwickler wie ihn nahezu unmöglich gewesen, auf dem Spielemarkt Fuß zu fassen, sagt Ziegler . Nach Angaben der Schweizer war die Entwicklung von »Mundaun« voller Höhen und Tiefen.
Die Arbeit hat sich für das Publikum gelohnt: Tatsächlich haben Sie noch nie ein Spiel wie »Mundaun« gesehen. Es ist ein beeindruckendes Spiel, das auch als unterhaltsames Horrorspiel funktioniert. Man kann sich nur wünschen, dass das Spiel trotz seines fast radikal lokalen Charakters ein möglichst breites internationales Publikum findet.
»Mundaun« kostet knapp 17 Euro und wurde für PC, Mac, Playstation 4/5 und Xbox One / Serie X / Serie S veröffentlicht. Eine Version für Nintendo Switch folgt in Kürze.