S.Äußerer Missbrauch, Gewalt und Nachlässigkeit hinterlassen tiefe Spuren in der Seele des Kindes. Aber auch das körperliche Wohlbefinden von Jugendlichen wird durch solche Erfahrungen beeinträchtigt. Traumatisierte Mädchen und Jungen leiden im späteren Leben nicht nur überdurchschnittlich unter psychischen Störungen, sondern auch stärker unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und anderen lebensbedrohlichen Krankheiten. .
Die Ursachen für ihre gesundheitliche Instabilität sind äußerst komplex. Zum Teil kann eine erhöhte Anfälligkeit für die Krankheit auf ungesunde oder destruktive Verhaltensweisen zurückgeführt werden – wie Essstörungen, Drogenabhängigkeit und übermäßigen Alkoholkonsum -, aber nicht nur das. Wie Beobachtungen zeigen, beschleunigen schockierende Kindheitserfahrungen den Alterungsprozess und können daher dazu führen, dass Betroffene in relativ jungen Jahren an altersbedingten Krankheiten leiden.
Wie sehr schockierende Kindheitserlebnisse die Uhr im Leben verändern und ob es diesbezüglich Unterschiede zwischen einzelnen Traumata gibt, wurde aufgrund manchmal widersprüchlicher Daten noch nicht ausreichend beantwortet. Die Ergebnisse einer systematischen Analyse von 43 Studien mit insgesamt mehr als 114.000 Testpersonen sorgen für mehr Klarheit. Dementsprechend beeinflussen nicht alle Arten von Kindertraumata den Alterungsprozess gleichermaßen.
Verräterischer Blick auf die Zelle
Die Folgen bedrohlicher Erfahrungen wie körperlicher oder emotionaler Gewalt, sexueller Übergriffe und Missbrauch jeglicher Art sind besonders weit entfernt. Wie die Autoren der Metaanalyse der University of Washington in Seattle im „Psychological Bulletin“ berichtenProbanden, die in jungen Jahren solch drastischen Erfahrungen ausgesetzt waren, erreichten die Pubertät viel früher als Teilnehmer mit einer glücklichen Kindheit. Je schwerwiegender und anhaltender die Bedrohung ist, desto eher würden die betroffenen Kinder die sexuelle Reife erreichen.
Ein Blick in die Zellen zeigte auch, dass Opfer von Gewalt und Missbrauch schnell altern. Chromosomen hatten zum Beispiel signifikant mehr Schutzkappen, die sogenannten Telomere, als die ihrer Altersgenossen mit einer nicht registrierten Kindheit. Je kürzer die Telomere sind, desto eher stirbt die betreffende Zelle ab. Es wurde auch gezeigt, dass die DNA von Männern und Frauen, die Gewalt in der Kindheit erlebten, eine Reihe chemischer Veränderungen enthielt, die normalerweise erst später im Leben auftreten.
Wissenschaftler, die mit Natalie Colich zusammenarbeiteten, fanden bei Männern und Frauen, die als Kinder vernachlässigt wurden oder unter prekären sozialen Bedingungen lebten, keine Anzeichen für eine schnelle Notiz der biologischen Uhr. Solche Erfahrungen waren jedoch nicht ohne Konsequenzen. Anscheinend haben sie messbare Spuren im Gehirn hinterlassen. Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass die Großhirnrinde der Betroffenen an bestimmten Stellen dünner und daher wahrscheinlich reifer oder älter war als die von Testpersonen im gleichen Alter wie sorglose Jugendliche. Vergleichbare Veränderungen, obwohl in einer anderen Region des Gehirns, wurden auch bei Menschen gefunden, die Gewalt in der Kindheit erlebten.
Gewalterfahrungen beschleunigen das Entwicklungstempo
Warum die Großhirnrinde von Männern und Frauen mit negativen Kindheitserfahrungen relativ schnell abnimmt – ein Prozess, der natürlich mit dem Alter verschwindet – kann immer noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Colich und ihre Kollegen glauben, dass dies eine Art Anpassung des Körpers an ungünstige Lebensbedingungen ist. Gleiches gilt wahrscheinlich für die frühe Geschlechtsreife. Wissenschaftler beziehen sich auf die Theorie der Lebensgeschichte („Theorie der LebensgeschichteDies bedeutet, dass sich Organismen, wenn sie ihre meist begrenzten Ressourcen nutzen, an den grundlegenden, oft konkurrierenden Punkten ihrer Lebensgeschichte orientieren. Dazu gehört neben ihrem Überleben auch die Fortpflanzung.
Nach der Theorie sind Gewalterfahrungen ein Grund, das Entwicklungstempo in jungen Jahren zu erhöhen. Denn je früher das sexuell bedrohte Kind reift, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich fortpflanzen kann, bevor es möglicherweise vorzeitig stirbt. In diesem Fall konzentriert der Körper seine Energien auf eine beschleunigte Reife, zu der auch vorzeitiges Altern gehört. Gleichzeitig erkennt er an, dass sein Lebenslicht früher herauskommen wird. Es ist derzeit unklar, ob diese Prozesse durch rechtzeitiges Eingreifen rückgängig gemacht werden können.