Der Wirecard-Treuhänder Michael Jaffé kündigte in einem Zwischenbericht an, dass er Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte, den Buchhalter EY und andere in den Skandal verwickelte Personen erheben werde.
Laut dem Bericht, der SPIEGEL zur Verfügung steht, gab es keine externen Partneraktivitäten des Konzerns, und Wirecard könnte daher bereits 2017 für den Konkurs bereit sein. Die Forderungen gegenüber Dritten wurden für 2017 um 743,6 Millionen Euro und für 2018 um 972,6 Millionen Euro übermeldet. Aus diesem Grund lässt Jaffé vor Gericht prüfen, ob die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 ungültig sind.
Der Treuhänder will versuchen, von ehemaligen Aktionären eine Dividende von rund 47 Millionen Euro zurückzubekommen. Ansprüche können auch beim Rückkauf eigener Aktien über 140 Millionen Euro entstehen. Jaffé räumt jedoch auch ein, dass es schwierig sein wird, die Aktionäre zu finden, von denen er glaubt, dass sie von diesen ungerechtfertigten Ausschüttungen profitiert haben.
Streit mit EY
Das Feststellungsverfahren von Jaffé beim Landgericht München 1 wird offenbar auch vom ehemaligen Wirecard-Prüfer EY mit Interesse verfolgt. EY beantragte im Verfahren den Zugang zu den Akten und argumentierte, dass der Jahresabschluss neu erstellt und dann von EY erneut geprüft werden sollte. Jaffé hingegen argumentiert, dass der Antrag von EY unwirksam sei, „weil begründete Bedenken bestehen, dass EY nicht weiterhin unparteiisch, unparteiisch und unberührt als Buchhalter des Schuldners auftreten könnte, wenn seine eigenen Interessen berücksichtigt würden.“
EY wird seit Monaten kritisiert, weil der Abschlussprüfer die Bilanzen von Wirecard bis einschließlich 2018 bedingungslos geprüft hat. Der Insolvenzverwalter prüft, ob auch Ansprüche gegen EY bestehen.
Der Jaffés-Bericht bietet auch detaillierte Einblicke in das klar angewandte Betrugsmodell von Wirecard. Es heißt, dass die wenigen Zahlungen, die von den angeblichen externen Partnern in Asien an Wirecard flossen, hauptsächlich aus dem Kreislaufgeschäft stammten, dh letztendlich von Wirecard selbst. „Mehrere klare Stromkreise“ sind erkennbar geworden.
Unter anderem floss Geld aus der Gruppe durch Beratungs- und Softwareverträge ohne Berücksichtigung. Der Treuhänder hat vorläufig 94 namhafte Berater in zahlreichen Ländern und Steueroasen identifiziert, die rund 40 Millionen Euro erhalten haben.
Weitere Mittel flossen durch sogenannte „strategische Kredite“, die die Wirecard Bank ungesicherten Partnerunternehmen zur Verfügung stellte. Jaffé beschreibt seine manchmal hoffnungslosen Versuche, diese Kredite zurückzubekommen. In einigen Fällen konnte die Post nicht einmal liefern, um Ansprüche geltend zu machen.
40.000 Ansprüche
Jaffé möchte die Ex-Vorstandsmitglieder um Markus Braun und Jan Marsalek sowie den ehemaligen Aufsichtsrat dafür verantwortlich machen, dass sie Zahlungen genehmigt hätten, als Wirecard bereits bankrott ging. Braun hingegen glaubt, dass die Insolvenz von seinen Nachfolgern eine Woche nach seiner Abreise am 19. Juni letzten Jahres vorzeitig angekündigt wurde, so der Jaffé-Bericht, und dass Wirecard immer noch rettbar ist. Der Kurator hält das für absurd.
Die Gläubiger haben mehr als 40.000 Forderungen beim Treuhänder eingereicht, von denen einige von Jaffé abgelehnt werden. Es gibt bereits drei Berichte, die zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen darüber kommen, inwieweit Aktionäre und Kreditgeber sowie Anleihegläubiger Schadensersatzansprüche geltend machen können. Die Klärung der Ansprüche könnte Jahre dauern, heißt es in dem Bericht.
Die Schilder mit dem „Wirecard“ -Logo, von denen der ehemalige Hauptsitz in Aschheim inzwischen entfernt wurde, sind offenbar von historischer Bedeutung. Das Haus der bayerischen Geschichte in Regensburg habe „bereits großes Interesse“ an diesem und an „anderen symbolischen Objekten“ gezeigt, so der Bericht weiter. Das Schicksal der Schilder, die im Rahmen der weltweiten Berichterstattung zu Markenzeichen geworden sind und derzeit gespeichert werden, muss noch entschieden werden.